Rund 948.000 syrische Staatsangehörige leben laut Ausländerzentralregister in Deutschland (Stand: Ende September 2025). Zwischen 2016 und 2024 haben außerdem rund 244.000 syrische Staatsbürger*innen den deutschen Pass erhalten.
Nach dem Sturz des Assad-Regimes vor knapp einem Jahr wird in Deutschland derzeit intensiv darüber diskutiert, ob und wann Syrer*innen zurück in ihre Heimat gehen sollten. In einem Online-Pressegespräch des Mediendienst Integration sprachen Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen der syrischen Zivilgesellschaft darüber, wie sich Syrer*innen in Deutschland engagieren – und welche Perspektiven sich ihnen für die Zukunft bieten.
Dr. Nora Ragab – Migrationsforscherin mit Schwerpunkt Diaspora-Mobilisierung
„Viele Syrer haben hier seit zehn Jahren sehr viel Zeit und Ressourcen investiert, um sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Eine Rückkehr nach Syrien wäre ein Bruch in ihrer Biografie. Über ein Drittel der Syrerinnen und Syrer sind außerdem Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Es gibt also eine Generation, die komplett in Deutschland sozialisiert ist."
„Man fängt in Syrien auch nicht dort an, wo man aufgehört hat. Das Familienhaus ist nicht mehr da. Die wirtschaftliche Situation ist schwierig. Es gibt noch Gewalt an verschiedenen Orten. Diese ganze Diskussion missachtet die Anstrengungen vieler Syrerinnen und Syrer, hier anzukommen und ein Teil der Gesellschaft zu werden."
Karoline Popp – Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR), Autorin von „Diaspora und mehr"
„Das Risiko ist sehr hoch, dass unter der aktuellen Debatte vor allem die Personen leiden, die sich gesellschaftlich engagieren und auch einen starken Beteiligungswillen haben. Das politische Klima geht nicht spurlos an der syrischen Community vorbei. Das sorgt für viel Verunsicherung. Viele haben inzwischen das Gefühl, dass, egal wie sehr sie sich anstrengen, sie nie ganz dazugehören werden – selbst wenn sie einen deutschen Pass haben."
„Das mag überraschend klingen, aber die Einbürgerung ist ein wichtiges Instrument, um Syrerinnen und Syrern die Möglichkeit zu geben, zurück in ihre Heimat zu gehen. Personen, die einen deutschen Pass haben, fühlen sich sicherer dabei, das Land zu verlassen. Sie können also zurück nach Syrien reisen und sich am Wiederaufbau des Landes beteiligen – ohne die Angst, dass der Weg zurück versperrt ist."
Nahla Osman – Rechtsanwältin, Vorsitzende des Verbands deutsch-syrischer Hilfsvereine e.V.
„Es gibt schon Kinder, die fragen: Mama, fahren wir jetzt zurück nach Syrien? Viele Eltern berichteten in letzter Zeit, dass die Debatte über Rückkehrpläne und mögliche Abschiebungen auf deutschen Schulhöfen angekommen ist."
„Wir haben leider vermehrt gehört, dass den Kindern gesagt wird: Du bist doch Syrerin, geh zurück. Viele Kinder trauen sich dann gar nicht mehr, arabisch zu reden. Aber wir haben auf der anderen Seite auch ganz viele Nachbarn, Initiativen, Vereine, die sagen: Ihr seid ein Teil von Deutschland, wir stehen hinter euch."
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