Wie groß ist der Fachkräftemangel in Deutschland?

Der Fachkräftemangel ist eines der größten Probleme der deutschen Wirtschaft: Es gehen mehr Menschen in Rente, als einheimische Arbeitskräfte nachkommen. Deutschland braucht sowohl ausländische Fachkräfte als auch ungelernte Arbeitskräfte.

Der Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren zu einem der größten Probleme der deutschen Wirtschaft geworden. Hauptgrund ist der demographische Wandel in Deutschland: In den nächsten 15 Jahren wird die Generation der Babyboomer in den Ruhestand gehen. Unter dem Strich gehen mehr Menschen in Rente als neue einheimische Arbeitskräfte nachkommen. Hierdurch fehlen in vielen Bereichen Arbeitskräfte.

Bis zum Jahr 2027 werden etwa 54.000 Arbeitskräfte fehlen, so eine Schätzung des Fachkräftemonitorings des Bundesarbeitsministeriums. Der Mangel ist geringer als bisher angenommen, vorher war man von einem Bedarf von 240.000 Stellen ausgegangen. In dieser Prognose ist das abgeschwächte Wirtschaftswachstum und die aktuelle Zuwanderung bereits berücksichtigt.Quelle Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2023 und 2022): Fachkräftmonitoring für das BMAS 2023, S.32 LINK sowie Fachkräftemonitoring für das BMAS 2022, LINK; Bertelsmann Stiftung (2024): Zuwanderung und Arbeitsmarkt, S.5 Link. 

Bisher ging man davon aus, dass eine langfristig eine Nettozuwanderung von mindestens 400.000 Personen im Jahr notwendig ist. Grundlage war eine Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Eine aktuellere Prognose der Bertelsmann-Stiftung von November 2024 geht von einem niedrigeren Bedarf aus, mit einer Nettozuwanderung von 288.000 bis 368.000 Personen, die jedes Jahr bis 2040 zuwandern. Weitere Strategien gegen den Fachkräftemangel sind, die Frauenerwerbstätigkeit weiter zu erhöhen und mehr Menschen zu qualifizieren.QuelleInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2021): IAB-Kurzbericht 25/2021 LINK, Bertelsmann Stiftung (2024): Zuwanderung und Arbeitsmarkt, S.5 LinkIn welchen Berufen fehlen Fachkräfte?

Fachkräfte sind in den vergangenen Jahren in vielen Berufen und Regionen deutlich knapper geworden: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnete Ende 2023 Engpässe in 183Berufsgruppen – die Zahl der Engpassberufe ist leicht zurückgegangen, liegt aber trotz des Rückgangs weiterhin auf einem sehr hohen Niveau (zum Vergleich: Während es 2017 nur 25 Berufsgruppen waren, stieg die Zahl bis 2022 auf 200 an). Insgesamt fehlten damit Fachkräfte in etwa jedem siebten untersuchten Beruf. Ein Mangel an Fachkräften besteht vor allem in den Pflege- und Gesundheitsberufenz.B. Pflegekräfte, Physiotherapie, (zahn)medizinische Fachangestellte, im Handwerk und in den Bauberufenz.B. Klempnerei, Zimmerei, Dachdeckerei. Darüber hinaus gibt es Engpässe im technischen BereichSanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Mechatronik, Elektrotechnik u.a., in VerkaufsberufenVerkauf Back- und Konditoreiwaren, Verkauf Fleischwaren, Lebensmittelverkauf u.a., im Gastronomieservice, sowie bei Berufskraftfahrer*innen im Güterverkehr.QuelleBundesagentur für Arbeit (Juni 2024): Fachkräftepassanalyse 2023, im pdf-Bericht Seite 13 LINK, Fachkräfteengpassanalyse 2022, im pdf-Bericht, Seite 14, LINK, sowie Fachkräfteengpassanalyse 2017, Seite 7, LINK.

Die Engpässe schlagen sich oft darin nieder, dass Stellen lange unbesetzt bleiben. Ein Beispiel: In der Pflege konnten 2023 offene Fachkräftestellen im Schnitt mehr als dreieinhalb Monate (112 Tage) lang nicht besetzt werden. Außerdem gibt es in manchen Berufen starke regionale Unterschiede: Während 2023 Fachkräfte im Gartenbau in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern gesucht wurden, war die Situation in Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Berlin, Brandenburg Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt entspannter.QuelleBundesagentur für Arbeit: Interaktives Angebot zur Engpassanalyse 2023, "Suche nach Beruf", "813x+821 Pflegefachkräfte", Basiswerte, LINK, Fachkräfteengpassanalyse 2023, Excel-Tabelle "2023_Länderergebnisse", Tabellenblatt "Fachkräfte", LINK

Ein Problem für Unternehmen

Auch die Unternehmen sehen Probleme: Laut einer Umfrage hatten 2023 die Hälfte aller befragten Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen (50 Prozent), besonders in der Baubranche und im Industriebereich – so der jüngste "Fachkräftereport" des Deutschen Industrie- und Handelskammertags von November 2023. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht Arbeitskräfte aus dem Ausland als mögliche Gegenstrategie (55 Prozent).QuelleDeutscher Industrie- und Handelskammertag (2023): Fachkräftereport 2023/2024, S. 4. Link

In welchen Ländern Deutschland um Fachkräfte wirbt
Medien zufolge will die Bundesagentur für Arbeit in Zukunft vor allem in 13 Ländern um Arbeitskräfte werben: Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Ecuador, Marokko, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Indien, Indonesien, Usbekistan und die Philippinen sowie Ghana.QuelleSpiegel (2024): In diesen 13 Staaten sucht Deutschland nach Fachkräften, Link
Nicht nur Fachkräfte fehlen

Häufig wird in der Debatte um Arbeitskräftezuwanderung von "Fachkräfteeinwanderung" gesprochen. Expert*innen weisen jedoch daraufhin, dass in vielen Wirtschaftsbereichen, beispielsweise im Dienstleistungsbereich, auch ungelernte Arbeitskräfte dringend gesucht werden. Oft wäre es also präziser, von "Arbeitskräftemangel" zu sprechen.

Wichtige Quellen
• Bundesagentur für Arbeit: Jährliche Fachkräfteengpassanalyse, Link
sowie Interaktives Datenportal mit Details zum Bedarf in einzelnen Branchen, Link, und die Übersicht zu Fachkräfte-Engpässen in verschiedenen Berufen, Link
• DIHK-Arbeitsmarkt- und Konjunkturreport: Jährliche Umfrage bei Unternehmen, Link
• Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2023): Fachkräftemonitoring für das BMAS, Mittelfristprognose bis 2027, Linkhttps://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-625-fachkraeftemonitoring-bmas-mittelfristprognose-2027.pdf?__blob=publicationFile&v=3