Frauen in Flüchtlingsunterkünften

Mehr als 40 prozent aller Asylsuchenden sind Frauen und Mädchen. Viele von ihnen fliehen vor geschlechtsspezifischer Gewalt oder erleben Übergriffe während der Flucht.

Auch in deutschen Unterkünften kommt es zu Übergriffen. Statistiken hierzu gibt es nicht. Erfahrungsberichte von Sozialarbeiterinnen und Befragungen zeigen jedoch, dass Frauen häufig Gewalt erfahren. Im August 2016 veröffentlichte der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments (FEMM) eine Fallstudie zur Unterbringung von Frauen in München. Eine der wenigen bundesweiten Studien, die vorliegen, ist von 2004 und nicht repräsentativ. Beide Studien zeigen deutliche Tendenzen:

  • Demnach gab eine große Mehrheit von knapp 80 Prozent der geflüchteten Frauen an, in Deutschland psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein,
  • jede zweite sprach von körperlicher Gewalt
  • und jede vierte berichtete von sexueller Gewalt. Die Täter waren demnach Beziehungspartner, fremde Personen, Mitbewohner sowie Personal in Unterkünften.QuelleDeutsches Institut für Menschenrechte, Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Flüchtlingsunterkünften, 2015, S. 11

Eine repräsentative Befragung geflüchteter Frauen der Berliner Charité von März 2017 zeigt: 26 Prozent  fühlen sich in den Unterkünften aufgrund von Sprache oder Religion diskriminiert. 21 Prozent erleben die Atmosphäre der Unterkunft als problematisch, dazu zählen sowohl Lärmbelastung als auch Gewalterfahrungen vor Ort. Ebenfalls 21 Prozent beschreiben ein respektloses Klima.QuelleCharité Berlin, Abschlussbericht: Study on Female Refugees, S. 31ff

2016 haben das Bundesfamilienministerium und UNICEF Mindeststandards für ein Schutzkonzept in Flüchtlingsunterkünften herausgegeben. Im Juni 2017 wurden sie überarbeitet und sind hier abrufbar. Vor allem "besonders schutzbedürftige" Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftunterkünften sollen davon profitieren. Zu ihnen zählen unter anderem Schwangere und alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern sowie Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Verpflichtend ist die Einführung eines Schutzkonzepts für Heimbetreiber jedoch nicht. Ein Gesetzentwurf, der die Verpflichtung umsetzen würde, liegt vor, aber ist noch nicht im Bundesrat beschlossen worden (Stand: Juli 2017).

Seit 2016 gibt es in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen Unterkünfte, die speziell für alleinreisende und alleinerziehende Frauen eingerichtet sind.

Geschlechtsspezifische Verfolgung bedeutet laut UNHCR, dass das Geschlecht die Art der Verfolgung beeinflusst, etwa sexuelle Gewalt wie zum Beispiel Vergewaltigung, Zwangsheirat, Zwangssterilisation. Auch kann das Geschlecht den Grund für die Verfolgung darstellen, etwa bei Genitalverstümmelung, Gewalt in der Familie, Bestrafung wegen Ehebruchs oder Homosexualität oder Frauenhandel. Seit dem Zuwanderungsgesetz 2005 kann sie in Deutschland als Grund geltend gemacht werden, um Asyl zu erlangen. Rechtlich fällt geschlechtsspezifische Verfolgung unter die Kategorie "Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Laut AngabenBAMF: Bundesamtin Zahlen 2016 - Modul Asyl, Seite 53 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge haben im Jahr 2016 rund 18.800 Personen Flüchtlingsschutz aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung erhalten. Zum Vergleich: 2015BAMF: Bundesamt in Zahlen 2015 - Modul Asyl, Seite 53 waren es rund 1.300 Menschen.