Familiennachzug nach Deutschland

2024 wurden rund 120.000 Visa für die Familienzusammenführung nach Deutschland ausgestellt, rund 28.000 davon an Personen aus wichtigen Asylherkunftsstaaten. Welche Regeln gelten und welche Bedeutung der Familiennachzug für die Integration hat.

Die Zahlen

2025: Im ersten Halbjahr 2025 (Stand: 23.6.2025) wurden rund 54.600 Visa zum Familiennachzug erteilt – davon gingen etwa 12.200 an Personen aus folgenden Asylherkunftsstaaten: Syrien (ca. 8.500), Iran (1.900), Afghanistan (1.200) und Irak (600). 5.800 Visas wurden zum Zweck des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt.QuelleAuswärtiges Amt auf Anfrage des MEDIENDIENSTES  

2024: Die deutschen Botschaften haben 2024 rund 120.000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung ausgestellt – davon gingen etwa 28.300 an Personen aus folgenden Asylherkunftsstaaten: Syrien (ca. 20.000), Iran (4.400), Afghanistan (2.600) und Irak  (1.300).QuelleAuswärtiges Amt auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

2023 wurden rund 130.800 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung ausgestellt – davon etwa 20.300 an Syrer*innen, 4.300 an Iraner*innen, 2.600 an Afghan*innen und 1.400 an Iraker*innen.QuelleAuswärtiges Amt auf Anfrage des MEDIENDIENSTES

Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten

Der Familiennachzug zu Geflüchteten, die die Schutzform "subsidiärer Schutz" erhalten haben, ist seit Juli 2025 für zwei Jahre ausgesetzt. Ausnhamen für Härtefälle sollen möglich sein. Seit der Aussetzung gab es 1.500 Härtefall-AnträgeAuswärtiges Amt, Schriftliche Fragen für den Monat Oktober 2025 Frage Nr. 10-0022. Diese werden derzeit von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und vom Auswärtigen Amt geprüft (Stand: Oktober 2025). Ein Härtefall kann laut Anweisungen des Auswärtigen Amts zum Beispiel eintreten, wenn Personen mehr als 12,5 Jahre getrennt sind (wenn Kleinkinder betroffen sind 5 Jahre).QuelleBundesinnenministerium  (2025), Wichtige Information: Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten LINK; Auswärtiges Amt, Schriftliche Fragen für den Monat Oktober 2025 Frage Nr. 10-0022 

Der Nachzug von Angehörigen zu subsidiär Schutzberechtigten wurde bereits zwischen 2016 und 2018 ausgesetzt. Später durften 1.000 Visa pro Monat erteilt werden – Härtefälle ausgenommen. Die Zahl der erteilten Visa lag jedoch in der Regel unter dem Kontingent. Insgesamt wurden zwischen 2018 und 2024 rund 58.400 Visa an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten erteilt – das sind etwa acht Prozent aller Visa zum Zweck der Familienzusammenführung in dieser Zeit. Mehr als 80 Prozent dieser Visa gingen an Angehörige von syrischen Bürger*innen.QuelleAnfrage des Mediendienstes an das Auswärtige Amt, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion BT-Drs. 20/12922, Seite 42 LINK

Rechtslage
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge (nach Art. 16a GG und §3 AsylG) dürfen Ehegatten und minderjährige Kinder nachholen – und unbegleitete Minderjährige ihre Eltern. Anders als bei anderen Drittstaatsangehörigen gilt das unabhängig davon, ob sie über genügend Einkommen oder Wohnraum verfügen. Sie müssen dafür den Nachzug innerhalb von drei Monaten beantragen, nachdem sie als Flüchtlinge anerkannt wurden (AufenthG §29, Abs. 2). Für Flüchtlinge ergibt sich dieses Recht nicht nur aus dem deutschen Aufenthaltsgesetz, sondern auch aus der europäischen Familienzusammenführungs-RichtlinieEU-Richtlinie 2003/86/EG. Der Familiennachzug für Flüchtlinge kann daher von EU-Staaten nicht einseitig ausgesetzt werden.
Anders verhält es sich mit dem Subsidiären Schutz: Die Gewährleistung der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie gilt nur für Flüchtlinge, nicht für subsidiär Geschützte. Ob und in welchem Maße subsidiär Geschützte der Familiennachzug gewährt wird, hängt also vom nationalen Gesetzgeber ab.

Ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten rechtlich zulässig?

Auch wenn die EU-Familiennachzugsrichtlinie nicht für subsidiär Schutzberechtigte gilt, ist der nationale Gesetzgeber nicht völlig frei in seiner Entscheidung, welche Rechte er subsidiär Geschützten gewährt: Denn der Familiennachzug berührt sowohl Rechte aus der deutschen Verfassung (Art. 6 Grundgesetz: Ehe und Familie), als auch Rechte aus der von Deutschland ratifizierten Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK: Achtung des Privat- und Familienlebens).

Schon 1987 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sich Fragen rund um die Familienzusammenführung an dem Grundrecht auf Familie aus Art. 6 Grundgesetz messen lassen müssen. Auf europäischer Ebene urteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof 2021, als es um den Familiennnachzug für einen subsidiär Geschützten in Dänemark ging, dass eine komplette Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte nicht erlaubt ist: Staaten dürfen demnach den Familiennachzug für zwei Jahre ausschließen, müssen danach aber den Einzelfall prüfen.Quelle Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, Link; EGMR CASE OF M.A. v. DENMARK, Link; LTO (2021): Kom­pro­miss zwi­schen Men­schen­rechten und Mig­ra­ti­ons­kon­trolle, Link

Was bedeutet die Trennung von der Familie für irreguläre Migration?

„Wenn Familienmitglieder nicht regulär nachziehen dürfen, dann sehen sich viele gezwungen, irreguläre Wege zu nutzen“, erklärt Dr. Benjamin Etzold vom Bonner International Center for Conflict Studies. Er forscht seit Jahren zu Familien, die durch Flucht getrennt wurden, und hat zahlreiche Interviews mit Geflüchteten zum Thema Familiennachzug geführt. „Die Logik lässt sich leicht verstehen, wenn man auf die menschliche Dimension dieses Themas blickt: Familien wollen beisammen sein, eine Trennung von Kind, Eltern oder dem Partner ist schwer zu ertragen, für junge Menschen sogar traumatisch. Wenn es keine legalen Möglichkeiten gibt, ihnen nachzureisen, dann sucht man andere Wege“, so Etzold.

Was bedeutet die Trennung von der Familie für Integration und Kriminalität?

Zahlreiche StudienSiehe etwa Etzold: Enforced transnationalism. Refugees’ family lives in Germany under conditions of separation and waiting, Link; Charite: Study on Female Refugees, Link; SVR: Wie gelingt Integration? Asylsuchende über ihre Lebenslagen und Teilhabeperspektiven in Deutschland, Link; Schweizerisches Rotes Kreuz: Familiennachzug: ein wichtiger Faktor für Gesundheit und Integration, Link betonen die psychische Belastung, die die Trennung von der Familie für Menschen darstellt. Wenn Flüchtlinge ihre Familienangehörigen nicht nachholen können, erschwere das ihre Integration im neuen Land. "Der Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll, da die Sorge um Angehörige es erschwert, innerlich anzukommen und sich etwa um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen“, sagt Prof. Winfried Kluth, Vorsitzender des Sachverständigen für Integration und Migration.

2018 erfuhr eine Studie viel Aufmerksamkeit, nach der Familiennachzug die Kriminalität von Flüchtlingen senken könnte: Mit Blick auf die Straftaten von jungen männlichen Flüchtlingen verwies Studienleiter Christian Pfeiffer auf das Fehlen von Partnerinnen oder Müttern. Die Kriminologin Prof. Gina Wollinger arbeitet zu Ausländerkriminalität sowie Zusammenhängen zwischen Migration und Kriminalität. Sie sagt, dass sich aus der Studie nicht unmittelbar ergebe, dass Familiennachzug die Kriminalität senke, sondern dies eher eine Hypothese basierend auf den Studienergebnissen sei. Allerdings zeige die kriminologische Forschung generell, dass familiäre Einbindung ein kriminalitätshemmender Faktor sei: „Hier ist sich die Forschung einig: Personen, die einsam, sozial schlecht eingebunden oder frustriert sind, begehen wahrscheinlicher eine Straftat als Personen, die familiär und sozial  gut eingebunden sind. Elterliche Erziehung zu erfahren oder selbst erzieherische Verantwortung zu übernehmen, senkt die Wahrscheinlichkeit für Kriminalität. Familien zu trennen, steigert daher tendenziell das Risiko für Straffälligkeit“, so Wollinger.Quelle Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2018): Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland, Link; ZEIT (2018): Kriminologen fordern mehr Prävention gegen Flüchtlingskriminalität, Link