Aktuell schließt die Bundesregierung eine Reihe von Migrationsabkommen mit anderen Ländern ab. Das Ziel: Es soll mehr Abschiebungen in die Länder geben, gleichzeitig sollen mehr Arbeits– und Fachkräfte kommen. Ein Überblick (Stand April 2025):
- Das erste der "neuen Migrationsabkommen" hat Deutschland 2022 mit Indien abgeschlossen, im Dezember 2023 folgte Georgien und im September 2024 Kenia und Usbekistan.
- Anfang 2024 wurden eine Vereinbarung mit Marokko getroffen. Mit Kirgisistan und Kolumbien wurden bereits Absichtserklärungen unterzeichnet, auf die demnächst ein Abkommen folgen soll.
- Auch mit Moldau, den Philippinen und Ghana hat die Bundesregierung Gespräche aufgenommen.Quelle
- Es gibt weitere Vereinbarungen zur Gewinnung von Fachkräften – zum Beispiel die "Pflegekräfte-Vereinbarungen" ("Triple-Win") mit derzeit sieben Ländern. Auch schloss das Bundesarbeitsministerium zuletzt eine Absichtserklärungen mit Vietnam ab, die Arbeitsmigration fördern sollen. Ein geplantes Programm mit Brasilien wurde Ende 2023 ausgesetzt, unter anderem da die Pflegekräfte in Brasilien selbst benötigt werden.Quelle
In diesem Punkt geht es um Migrationsabkommen, die Deutschland direkt mit anderen Ländern abschließt. Mehr zu EU–Abkommen unten.
Seit den 1990er Jahren hat Deutschland rund 30 Abkommen abgeschlossen, die sich vor allem auf die Rückübernahme von Staatsbürger*innen fokussierten. Rund die Hälfte davon wurde mit anderen EU-Staaten abgeschlossen.
Im Interview mit dem MEDIENDIENST sagt Migrationsforscher Marcus Engler: Viele Arbeitskräfte würden durch die einzelnen Abkommen vermutlich nicht kommen, auch die Abschiebungen könnten nicht so leicht erhöht werden. Damit wirklich mehr Menschen kämen, müssten Vorhaben wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtig umgesetzt werden – ganz ohne Abkommen: Aktuell seien die Ausländerbehörden stark überlastet und auch die Erteilung von Visa dauere oft sehr lange.
Eine Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik zu den Abkommen gibt es hier.
Eine Recherche des Mediendienstes (Dezember 2024) zu Migrationsbewegungen nach dem Abkommen mit Indien gibt es hier.
Reguläre Migration aus Partnerländern überwiegt
Die Zahl der Personen aus den Partnerländern, die 2023 hier ein nationales Visum – also etwa für eine Arbeit, ein Studium oder Familienzusammenführung – bekommen haben, ist für die meisten Länder viel höher als die Zahl der Asylantragstellenden. Ausnahmen sind Georgien, Kolumbien und Moldau.
Vergleicht man die Jahre 2018 und 2023, haben sich die Einwanderungszahlen aus den zehn Ländern insgesamt erhöht.
Gemessen am Gesamtanteil der Asylerstangräge 2023 machte der Anteil der Anträge von Staatsbürger*innen, die aus Indien, Kolumbien, Kenia, Marokko, Georgien, Moldau, Usbekistan, Kirgisistan, den Philippinen und Ghana kamen, insgesamt lediglich 5,6 Prozent aus.
Weitere Bemühungen, um Fachkräfte zu werben, sind die "Zentren für Migration und Entwicklung", wo sich Interessierte über Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland informieren können. Die gibt es in Nigeria, Ägypten, Ghana, Indonesien, Irak, Jordanien, Marokko, Nigeria, Pakistan und Tunesien. Ein weiteres öffnet voraussichtlich in Indonesien im Sommer 2024. In weiteren Ländern – Albanien, Serbien, Kosovo, Gambia und Senegal – gibt es solche Zentren, sie werden aber langsam zurückgefahren.Quelle
Einige Migrationsabkommen sind im Volltext öffentlich, weil sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden, so zum Beispiel die Abkommen mit Kenia, Indien und Georgien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlicht regelmäßig eine Liste von rund 50 Staaten, aus denen keine Pflegekräfte angeworben werden sollten. So soll ein "Care Drain" verhindert werden, also eine zu starke Abwanderung aus Ländern, die bereits selbst einen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen haben. Deutschland verzichtet auf die Anwerbung aus solchen Ländern und untersagt das auch für private Anbieter. Quelle
Bürokratische Hürden verhindern Fachkräftemigration
Wie stehen die Partnerländer zu den Abkommen? Der MEDIENDIENST hat im März 2024 dazu mit Fachleuten gesprochen, die in und zu den Ländern arbeiten. Es könnten mehr Fachkräfte kommen, derzeit seien die bürokratischen Hürden aber noch sehr hoch. Neben Deutschland gebe es viele weitere Länder, mit denen Abkommen abgeschlossen werden.
In vielen Ländern seien die Abkommen mit Deutschland eine Möglichkeit, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Für andere stelle sich die Frage, ob Auswanderung von qualifizierten Personen gefördert und im Gegenzug mehr Menschen zurückgenommen werden sollten. Es gebe auch einen Widerspruch: Einerseits brauche Deutschland dringend Migrant*innen, andererseits versuche es andere Länder dazu zu bringen, Migration zu verhindern und Migrant*innen zurückzunehmen. Zu den Statements.
Abkommen auf EU-Ebene
Auf EU-Ebene wurden seit 2007 eine Reihe von Abkommen abgeschlossen. Eine Übersicht gibt es hier. Fachleuten zufolge waren diese aber weitgehend wirkungslos. Sie fokussierten sich auf irreguläre Migration und ließen die Interessen der Herkunftsstaaten unberücksichtigt. Jüngst hat die EU mit Tunesien und Ägypten Abkommen geschlossen, beide Länder sollen Migrant*innen an der Flucht nach Europa hindern. Forscher*innen zufolge wird das Menschen nicht an der Migration hindern, sondern eher auf gefährlichere Routen treiben.